Abendbilder

Buch: Gedichte - Erstes Buch
Sammlung: Oden

1.
Friedlicher Abend senkt sich auf's Gefilde;
Sanft entschlummert Natur, um ihre Züge
Schwebt der Dämmrung zarte Verhüllung, und sie
Lächelt, die holde:
Lächelt, ein schlummernd Kind in Vaters Armen,
Der voll Liebe zu ihr sich neigt; sein göttlich
Auge weilt auf ihr, und es weht sein Odem
Ueber ihr Antlitz.

2.
Stille Wird's im Walde; die lieben kleinen
Sänger prüfen schaukelnd den Ast, der durch die
Nacht dem neuen Fluge sie trägt, den neuen
Liedern entgegen.
Bald versinkt die Sonne; des Waldes Riesen
Heben höher sich in die Lüfte, um noch
Mit des Abends flüchtigen Rosen sich ihr
Haupt zu bekränzen.

3.
Schon verstummt die Matte; den satten Rindern
Selten nur enthallt das Geglock am Halse,
Und es pflückt der wählende Zahn nur lässig
Dunklere Gräser.
Und dort blickt der schuldlose Hirt der Sonne
Sinnend nach; dem Sinnenden jetzt entfallen
Flöt' und Stab, es falten die Hände sich zum
Stillen Gebete.

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