Der Urwald
Buch: Gedichte - Erstes BuchSammlung: Reiseblätter II
Es ist ein Land voll träumerischem Trug, Auf das die Freiheit im Vorüberflug Bezaubernd ihren Schatten fallen läßt, Und das ihn hält in tausend Bildern fest: Wohin das Unglück flüchtet ferneher. Und das Verbrechen zittert über's Meer; Das Land, bei dessen lockendem Verheißen Die Hoffnung oft vom Sterbelager sprang Und ihr Panier durch alle Stürme schwang, Um es am fremden Strande zu zerreißen, Und dort den zweifach bittern Tod zu haben: Die Heimath hätte weicher sie begraben! - In jenem Lande bin ich einst geritten Den Weg, der einen finstern Wald durchschnitten: Die Sonne war geneigt zum Untergang, Nur leise strich der Wind, kein Vogel sang. Da stieg ich ab, mein Roß am Quell zu tränken, Mich in den Blick der Wildniß zu versenken. Vermildernd schien das helle Abendroth Auf dieses Urwalds grauenvolle Stätte, Wo ungestört das Leben mit dem Tod Jahrtausend lang gekämpft die ernste Wette. Umsonst das Leben hier zu grünen sucht, Erdrücket von des Todes Ueberwucht, Denn endlich hat der Tod, der starke Zwinger, Die Faust geballt, das Leben eingeschlossen, Es sucht umsonst, hier, dort hervorzusprossen Durch Moderstämme, dürre Todesfinger. Wohin, o Tod, wirst du das Pflanzenleben In deiner starken Faust, und meines heben? Wirst du sie öffnen, wirst sie ewig schließen? So frug ich bange Zweifelnd und empfand Im Wind das Fächeln schon der Todeshand, Und fühlt' es kühler schon im Herzen fließen. Und lange lag ich auf des Waldes Grund, Das Haupt gedrückt in's alte, tiefe Laub, Und starrte, trauriger Gedanken Raub, Dem Weltgeheimniß in den finstern Schlund. Wo sind die Blüthen, die den Wald umschlangen, Wo sind die Vögel, die hier lustig sangen? Nun ist der Wald verlassen und verdorrt, Längst sind die Blüthen und die Vögel fort. So sind vielleicht gar bald auch mir verblüht Die schönen Ahnungsblumen im Gemüth; Und ist der Wuchs des Lebens mir verdorrt, Sind auch die Vögel, meine Lieder fort; Dann bin ich still und todt, wie dieser Baum, Der Seele Frühling war, wie seiner - Traum. Als einst der Baum, der nun in Staub verwittert, So sehnsuchtsvoll empor zum Lichte drang Und seine Arme ihm entgegen rang, Als nach dem Himmel jedes Blatt gezittert, Und als er seinen süßen Frühlingsduft Beseelend strömte weithin in die Luft - Schien nicht sein schönes Leben werth der Dauer, Und starb es hin, ist's minder werth der Trauer, Als mein Gedanke, der sich ewig wähnt? Als meine Sehnsucht, die nach Gott sich sehnt? - So lag ich auf dem Grunde schwer beklommen, Dem Tode nah, wie nie zuvor, gekommen: Bis ich die dürren Blätter rauschen hörte, Und mich der Huftritt meines Rosses störte; Es schritt heran zu mir, als wollt' es mahnen Mich an die Dämmerung und unsre Bahnen; Ich aber rief: ist's auch der Mühe werth, Noch einmal zu beschreiten dich, mein Pferd? Es blickt' mich an mit stiller Lebenslust, Die wärmend mir gedrungen in die Brust, Und ruhebringend wie mit Zaubermacht. Und auf den tief einsamen Waldeswegen Ritt ich getrost der nächsten Nacht entgegen, Und der geheimnißvollen Todesnacht.
Weitere Werke von Nicolaus Lenau bei Amazon
Lenau Nicolaus Lenau's sämmtliche Werke in einem Bande (Affiliate-Link),
Emil Barthel, Relam Philipp Jun., Gebundene Ausgabe, 0203111915, 7,00 €
Gedichte von Nicolaus Lenau Gesammt-Ausgabe (Affiliate-Link),
, , Gebundene Ausgabe, , 6,88 €
Nicolaus Lenau's sämmtliche Werke (Affiliate-Link),
Lenau, Nicolaus, CreateSpace Independent Publishing Platform, Taschenbuch, 1523252308, 28,78 €
Nicolaus Lenau's sämmtliche Werke in einem Bande. Frakturschrift (Affiliate-Link),
Nicolaus Lenau, Leipzig : Reclam,, Gebundene Ausgabe, , 13,00 €
Nicolaus Lenau's sämmtliche Werke in einem Bande. (Affiliate-Link),
, , Unbekannter Einband, , 7,00 €
Weitere Produkte zum Thema Nicolaus Lenau bei Amazon.de (Affiliate-Link)