Robert und der Invalide
Buch: Gedichte - Erstes BuchSammlung: Haidebilder
Robert. Siehst unser Hüttlein du im Abend schimmern? - Es lacht hinaus in's öde Haideland, Als wohnt' in ihm das Glück, das uns entschwand, Und mcht ein finstres Paar von Menschentrümmern. Aus einer andern Zeit, der guten alten, Als noch das Glück geruht in Hüttleins Schooß Und reicher Segen das Gefild umfloß, Hat es die heitre Miene sich erhalten. Hier sah man einst in schönen Sommertagen Die frommen Lämmer auf der Weide springen, Hier hörte man die Hirtenflöte klingen, Und im Getreide hell die Wachtel schlagen. Hier zog der Pfad durch frische Wiesengründe, Daß Abends er dem fröhlichen Gesellen Den schnellsten Weg zu seinem Liebchen künde. Nun wiegt kein Saatfeld seine goldnen Wellen, Und Alles schläft in tiefer Haideruh'; Der Pfad hat nichts der Liebe mehr zu künden, Schloß trauernd seine grünen Lippen zu; Und rings umher Vergessen und Verschwinden. Das Hüttlein nur mit seinem Lindenbaume Ist nicht erwacht aus seinem holden Traume. - Ihm gleicht die Erde jenseits unsrer Haide; Ob längst das Glück aus ihren Armen floh, Die Erde thut, wie einst noch immer froh, Und schmückt sich gerne mit dem Büthenkleide; Getreu der alten, schon gedankenlosen Gewohnheit, trägt sie jährlich ihre Rosen. - Hab' meine Lust, im Hüttlein dort zu hausen, Es ist so leicht gezimmert, leicht bedacht; Da hören recht wir's, wenn die Winde brausen, Wenn unser Schätzel kommt, die Wetternacht. Bin gerne dort in heitern Abendstunden, Wenn schon der letzte Sonnenstrahl geschwunden: Wenn hell zu Sternen Sterne sich gesellen, Und unsre Hunde auf zum Monde bellen, Weil sich der stille, blasse schleicht heran. Als wollt' er diebisch unsrer Hütte nah'n Und uns mit seinen leisen Silberhänden Den leichten Schlaf durch's Fensterlein entwenden. - Freund! höre doch! wo wandert deine Seele, Derweil ich hier von Hütt' und Mond erzähle? Der Invalide. Es bellen - sagtest du - zum Mondenschein Die Hunde-, - ja - den Hunden hätt' ich sollen, Als einst der laute Ruf zur Schlacht erschollen, Zum Futter werfen lieber vor mein Bein, Als daß ich's im berauschten Sturmesflug Zum blutgetränkten Opferherde trug. Zum Opferherde trug ich's? - Herd der Küche War jenes Leipzigfeld voll Flamm' und Rauch! Zerrissne Glieder, Leichen, Donnerflüche, Gebrochne Waisen-, Mutterherzen auch, Das Schlachtgeflügel auch - vom bösen Wetter Napoleon gejagt aus Frankreichs Auen: - Das Alles ward vom Chor der Freiheitsretter In ein Gericht zusammen dort gehauen, Woran das Glück nun der Aristokraten Sich schwelgend mästet, da zu ihrer Schmach Im Lande ziehn verstümmelte Soldaten Und betteln müssen um ein mildes Dach. Man hat ein Glied vom Leibe mir gerissen, Den schlechten Rest dem Hunger vorgeschmissen. Das sind die Menschen ohne Dank nicht werth, Daß ich für sie gezogen einst mein Schwert, Daß ich, ein Bettelkrüppel, auf der Haide Umhinke, deinen Bissen trag' im Magen, Und decke meinen Leib mit deinem Kleide, Bis diese dumpfe Trommel ausgeschlagen Den Trauermarsch: das Herz da - stille steht, Und den vergess'nen Staub der Wind verweht! - Robert. Dich trösten wollen mag ein bittrer Spötter! Was einmal tief und wahrhaft dich gekränkt, Das bleibt auf ewig dir in's Mark gesenkt; Hier steht das Unglück höher als die Götter! Der Himmel mag vor deinen Gram sich lagern, All' seine Götterkräfte laß erglühn, Daß er die Seele dir von ihren Nagern Nein schaffe und sie wieder mache blühn: Wird er den Seelenwurm hinausbeschwören, Will er nicht Seel' und Wurm zugleich zerstören?! - Daß einen Freund an mir du hast, Bis sie mir einst im Dorfe drüben läuten, Wenn sie mich tragen zur ersehnten Rast, Das ist wohl wahr, doch hier kann's nichts bedeuten. Die Sonn' ist unter; - wie die Nebel flattern, Vom Herbstwind aufgejagt aus dunklem Moor! So war der Abend, als mir Laura schwor! Hörst du die Wildgans in den Lüften schnattern? Das kündet Frost, mein Freund, und trübe Zeit! - Schon wieder gaukelt da die böse Sippe Von Nachtigallen der Vergangenheit. Nun mag ich fliehn durch Gräser und Gestrüppe, Sie folgt mir stets, sie spottet stets mir nach: "Du Thor, mit deinem fabelhaften Sehnen! "Hast du's noch nicht ersäuft mit deinen Thränen?" Und alle meine Wunden werden wach. Wie Buben einen Narren durch die Straßen Nicht ungeneckt hingehn und träumen lassen, So folgt es höhnend mir durch diese Haide, Und läßt nicht rasten mich von meinem Leide.
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