Wanderung im Gebirge

Buch: Gedichte - Erstes Buch
Sammlung: Reiseblätter I

Erinnerung.

Du warst mir ein gar trauter, liebcr
Geselle, komm, du schöner Tag,
Zieh noch einmal an mir vorüber,
Daß ich mich deiner freuen mag!

Aufbruch.

Des Himmels frohes Antlitz brannte
Schon von des Tages erstem Kuß,
Und durch das Morgensternlein sandte
Die Nacht mir ihren Scheidegruß:

Da griff ich nach dem Wanderstabe,
Sprach meinem Wirthe: "Gott vergelt
Die Ruhestatt, die milde Labe!"
Zog lustig weiter in die Welt.

Die Lerche.

Froh summte nach der süßen Beute
Die Biene hin am Wiesensteg;
Die Lerche aus den Lüften streute
Mir ihre Lieder auf den Weg.

Der Eichwald.

Ich trat in einen heilig düstern
Eichwald, da hört' ich leis' und lind
Ein Bächlein unter Blumen flüstern,
Wie das Gebet von einem Kind:

Und mich ergriff ein süßes Grauen,
Es rauscht' der Wald geheimnißvoll,
Als möcht' er mir was anvertrauen,
Das noch mein Herz nicht wissen soll;

Als möcht' er heimlich mir entdecken,
Was Gottes Liebe sinnt und will:
Doch schien er plötzlich zu erschrecken
Vor Gottes Näh' - und wurde still.

Der Hirte.

Schon zog vom Wald ich ferne wieder
Auf einer steilen Alftenwand;
Doch blickt' ich oft zu ihm hinnieder,
Bis mir sein letzter Wipfel schwand.

Da irrten Küh' am Wiesenhange.-
Der Hirte unterm Kieferdach
Hing still bei ihrem Glockenklange
Dem Bilde seines Liebchens nach.

Einsamkeit.

Schon seh' ich Hirt' und Heerde nimmer,
Ein Lüftchen nur ist mein Geleit;
Der steile Pfad wird steiler immer,
Es wächst die wilde Einsamkeit.

Dort stürzt aus dunkler Felspforte
Der Quell mit einem bangen Schrei,
Enteilt dem grauenvollen Orte,
Hinab zum freundlich grünen Mai.

Verschwunden ist das letzte Leben,
Hier grünt kein Blatt, kein Vogel ruft,
Und selbst der Pfad scheiut hier zu beben,
So zwischen Wand und Todeskluft.

Komm, Gottesläugner, Gott zu fühlen:
Dein Frevel wird auf diesem Rand
Den Todesabgrund tiefer wühlen,
Dir steiler thürmen diese Wand! -^

Die Ferne.

Des Berges Giftfei war erschwungen,
Der trotzig in die Tiefe schaut:
Natur, von deinem Reiz durchdrungen,
Wie schlug mein Herz so frei, so laut!

Behaglich streckte dort das Land sich
In Ebnen aus, weit, endlos weit,
Mit Thürmen, Wald und Flur, und wand sich
Der Ströme Zier um's bunte Kleid:

Hier stieg es ftlötzlich und entschlossen
Empor, stets kühner himmelan,
Mit Eis und Schnee das Haupt umgössen,
Vertrat den Wolken ihre Bahn.

Bald hing mein Auge freudetrunken
Hier an den Felsen schroff und wild:
Bald war die Seele still versunken
Dort in der Ferne Räthselbild.

Die dunkle Ferne sandte leise
Die Sehnsucht, ihre Schwester, mir,
Und rasch verfolgt' ich meine Reise
Den Berg hinab, zu ihr, zu ihr:

Wie manchen Zauber mag es geben,
Den die Natur auch dort ersann:
Wie mancher Biedre mag dort leben,
Dem ich die Hand noch drücken kann!

Das Gewitter.

Noch immer lag ein tiefes Schweigen
Rings auf den Höh'n; doch plötzlich fuhr
Der Wind nun auf zum blinden Reigen,
Die sausende Gewitterspur.

Am Himmel eilt mit dumpfem Klänge
Herauf der finstre Wolkenzug:
So nimmt der Zorn im heißen Dränge
Den nächtlichen Gedankenstug.

Der Himmel donnert seinen Hader-
Auf seiner dunkeln Stirne glüht
Der Blitz hervor, die Zornesader,
Die Schrecken auf die Erde sprüht.

Der Regen stürzt in lauten Güssen;
Mit Bäumen, die der Sturm zerbrach,
Erbraust der Strom zu meinen Füßen;
Doch schweigt der Donner allgemach.

Der Sturm läßt seine Flügel sinken,
Der Regen säuselt milde Ruh;
Da sah ich froh ein Hüttlein winken
Und eilte seiner Pforte Zu.

Der Schlaf.

Ein Greis trat lächelnd mir entgegen,
Bot mir die Hand gedankenvoll,
And hob sie dann empor zum Segen,
Der sanft vom Himmel niederquoll;

Und ich empfand es tief im Herzen,
Daß Zorn der Donner Gottes nicht;
Daß aus der Weste leichten Scherzen
Wie aus Gewittern Liebe spricht.

Und einen Labebecher trank ich,
Und schlich, wohin die Ruh mich rief,
Hinaus zur Scheune; müde sank ich
Hier in des Heues Duft - und schlief.

Was mich erfreut auf meinen Wegen,
Das träumt' ich nun im Schlafe nach-
Und träumend hört' ich, wie der Regen
Sanft niederträufelt' auf das Dach.

Süß träumt es sich in einer Scheune,
Wenn drauf der Regen leise klopft;
So mag sich's ruhn im Todtenschreine,
Auf den die Freundeszähre tropft.

Der Abend.

Die Wolken waren fortgezogen,
Die Sonne strahlt' im Untergang,
Und am Gebirg der Regenbogen,
Als ich von meinem Lager sprang.

Da griff ich nach dem Wanderstabe,
Sprach meinem Wirth ein herzlich Wort
Für Ruhestatt und milde Labe,
Und zog in stiller Dämmrung fort.

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