Auf meinen ausgebaelgten Geier
Buch: Gedichte - Zweites BuchSammlung: Gestalten
Du stehst so still und ernst, mein ausgebälgter Geier, Ich bringe dir ein Lied mit meiner ernsten Leier. Zwar hörst du nichts davon, dir geht mein Gruß verloren; Doch Dichter sind gewohnt, zu singen toten Ohren. Es lebt ja noch der Geist, der einst dir gab die Schwingen, Den traf der Jäger nicht, er hört mein Lied erklingen. Und wenn kein Menschenohr auch meinem Sange lauschte, So hört mich doch der Geist, der mir das Herz berauschte. Ich wollt', ich wäre jetzt in fernen Felsenklüften, Und du hoch über mir, still kreisend in den Lüften: Ich ließe froh mein Aug' mit deinem Fluge schweifen, Und wie du niederfährst, die Beute zu ergreifen; Wie du, athmender Blitz, zu Boden niederzückest Und mit den Krallen scharf ein warmes Leben pflückest: Wie du das volle Herz ansetztest als ein Zecher, Daß mit dem Leben trinkt der Tod aus einem Becher. Traun! milder ist der Tod, trotz Blut und Jammerstimme, Wo heiße Lebenslust sich paart mit seinem Grimme, Als wo kein Leben ist beim letzten Hauch zu sehen, Wo still der Tod uns dünkt ein einsames Vergehen. Ihr Weinenden am Sarg, an seinem dichten Schleier, l) kommt in's Felsenthal mit mir und meinem Geier! O kommt, Unsterblichkeit will die Natur euch lehren, Mit diesem Blute will sie trösten eure Zähren. Im Kreischen dieses Aars, mag's auch die Sinne stören, Ist für die Seele doch ein süßer Klang Zu hören. Hier findet Trost ein Mann, ward ihm ein Glück Zunichte, Und näher tritt er hier dem Räthsel der Geschichte. Der Geist, der heiß nach Blut hieß diesen Geier schmachten, Es ist der starke Geist zugleich der Völkerschlachten: Ein rasches Pochen ist's, ein ungeduldigs Drängen Der Seele, ihren Leib, den Kerker, aufzusprengen. Den großen Kaiser, hat einst dieser Geist durchdrungen, Er hat ihm hoch sein Schwert zur Völkermahd geschwungen; Dem Jäger, der als Wild die Menschheit trieb im Zorne Durch's Dickicht seines Heers und Bajonettendorne: Der, wie das Schicksal, fest beim Wehgeheul der Schmerzen, Saatkörner seines Ruhms, warf Kugeln in die Herzen: Und der auf Helena, wenn rings die Meerflut schäumte, Beim Sturme sich zurück in seine Schlachten träumte. - Mehr als ein blut'ger Tod macht es mein Herz erbeben, Wenn unsichtbarer Hauch verweht ein Menschenleben: Wenn über's Angesicht das Spiel vom letzten Schmerze Hinzittert wie der Rauch der ausgelöschten Kerze. Doch furchtbar ist der Tod, ein Grauen, nicht zu zwingen, Nenn eine Seuche kommt, die Völker zu verschlingen. Den Ganges will ich dort abholen an der Quelle, Und ziehn mit ihm hinab, sein lauschender Geselle. Der Ganges rauscht vorbei an einem Todtenacker, Und Geier fliegen schnell heran, die Leichenhacker, Hier Gentlemen, Hindu und Moslemin beisammen, Die lustig nach Hurdwar zur lauten Messe kamen. Die Schlange Cholera, mit mörderischer Tücke Verschlang sie rasch und spie sie schwarz und kalt zurücke. An manchem Herzen jetzt die Geier zehrend haften, Wie noch vor einem Tag die heißen Leidenschaften. Die Raben tummeln sich am Nest des Geiermahls, Und gierig springen dran Wildhunde und Schakals. Und Störche ziehn heran, gefiederte Giganten, Vom strenggemeßnen Schritt geheißen Adjutanten. Wie sie auf ihren Fraß zuschreiten leis und sacht, Unhörbar: ist allein, was hier mich grauen macht, Und wie bedächtig sie den Schnabel klappernd wetzen; Nur die Methode weckt mir grieselndes Entsetzen. Dort Leichen führt hinab der Ganges, dumpf erbrausend, Viel Geier sitzen drauf und schwimmen mit, fortschmausend; Und andre folgen satt, mit müßigem Geflatter Dem Leichenzuge nack, wild schwärmende Bestatter. Hier bin ich rings umbraust von heißem Lebenstriebe, Natur! hier rauscht dein Kuß der heft'gen Mutterliebe. Hier muß das Grauen selbst der Seuche sich verlindern, Seh' ich, Natur, wie du hier schwelgst in deinen Kindern! Fort wird das Bild des Tods vom Lebenssturm getragen, Der Siegesruf verschlingt mir alle Todesklagen. Und mit den Geiern dort, die um die Leichen schwanken, Lass' fliegen ich am Strom Unsterblichkeitsgedanken.
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